Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, – © Hans-Jürgen Bidmon

Ewart - 2022 - 01

Ewart, H. E., P. G. Tickle, W. I. Sellers, M. Lambertz, D. A. Crossley 2nd & J. R. Codd (2022): The metabolic cost of turning right side up in the Mediterranean spur-thighed tortoise (Testudo graeca). – Scientific Reports 12(1): 431.

Die metabolischen Kosten die beim Umkehren aus der Rückenlage bei der mediterranen Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca) entstehen.

DOI: 10.1038/s41598-021-04273-w ➚

Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, – © Hans-Jürgen Bidmon
Maurische Landschildkröte,
Testudo graeca,
© Hans-Jürgen Bidmon

Tiere mit einem gepanzerten, unflexiblen Körper wie die Testudines müssen sich umkippen können, wenn sie in Rückenlage zum Liegen kommen. Die Fähigkeit sich umkippen zu können ist für sie eine essenzielle biomechanische und physiologische Voraussetzung, die einen direkten Einfluss auf ihr Überleben und ihre Fitness hat. Vorgehensweisen, die diese Umdrehreaktion fördern, können konsequenterweise einen Evolutionsvorteil mit sich bringen. Allerdings sind die energetischen Kosten, die diese Umkehrreaktion erfordert bislang unbekannt. Unter Verwendung der Respirometrie und mittels einer kinematischen Videoanalyse untersuchten wir den metabolischen Energieverbrauch bei der Umkehrreaktion bei der terrestrischen, mediterranen Maurischen Landschildkröte und wir verglichen diese dann mit dem metabolischen Aufwand bei der normalen Fortbewegung bei moderater leicht aufrechtzuerhaltender Geschwindigkeit. Wir fanden, dass die Umkehrreaktion hohe metabolische Kosten verursacht, die etwa doppelt so hoch sind als der Energieverbrauch bei normaler massenspezifischer Fortbewegung. Schnelle Bewegungen der Beine und des Kopfes beschleunigen zwar das erfolgreiche Umdrehen aus Rückenlage und sorgen in Kombination mit den Anforderungen bei der Atmung in Rückenlage, aber auch für signifikant hohe metabolische Kosten. Konsequenterweise sollten sie deshalb im Freiland Umweltbedingungen und Verhaltensweisen favorisieren die das Risiko auf den Rücken zu fallen minimieren.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit beschreibt sehr schön anhand von Videoaufzeichnungen die Umkehrreaktion aus Rückenlage und die Substrateigenschaften, die sie dazu befähigen. Aber eben wie gesagt in einem experimentellen, artifiziellen Ansatz. Wenn man sich die vielfältigen Biotope anschaut die von Landschildkröten allgemein, aber auch im speziellen von T. graeca besiedelt werden wird deutlich, dass sie durchaus nicht nur flache geschotterte oder sandige Habitate besiedeln, sondern auch je nach Population durchaus steile und felsige Regionen. Allerdings scheinen die jeweiligen Populationen auch verhaltensmäßig sich an ihr jeweiliges Habitat anzupassen. Wenn man aber einmal wirklich in der Wildnis verschiedene Lebensräume aufsucht und die jeweilige Panzermorphologie betrachtet stellt sich schon die Frage wie sich solche morphologischen Anpassungen auf die Umkehrreaktion auswirken, denn daraus ließen sich auch Anhaltspunkte dazu gewinnen, wie unvorteilhaft oder gar pathologisch morphologische Veränderungen, die wir bei Gefangenschaftsaufzucht beobachten sich auf die Tiere auswirken. Insbesondere in sogenannten Headstart-Programmen wachsen ja auch Landschildkröten viel schneller und entwickeln vielleicht auch einen weniger oder anders gewölbten oder breiten Carapax der ihnen später nach der Wiederauswilderung eventuell das Überleben in ihrem spezifischen Lebensraum einschränkt oder sie anfälliger gegenüber solchen Stressoren macht und damit ihre Überlebensfähigkeit gefährden könnte. Die Abklärung solch praktischer Fragen und Konsequenzen, die sich aus diesem experimentellen Ansatz ableiten lassen, erschienen mir im Hinblick auf die Arterhaltungsbiologie und deren Vorgehensweisen weit wichtiger als die reine massenspezifische stoffwechselenergetische Betrachtung. Denn in der Natur sorgt eigentlich die Umwelt dafür, dass die Schildkröten diese Kosten aufbringen können müssen, ansonsten wäre unter den vor Ort herrschenden Bedingungen kein langfristiges Überleben möglich. Siehe dazu auch Fritz et al., (2007); Golubović et al. (2013a, b) und die dortigen Kommentare.

Literatur

Fritz, U., A. K. Hundsdörfer, P. Široký, M. Auer, H. Kami, J. Lehmann, L. F. Mazanaeva, O. Türkozan & M. Wink (2007): Phenotypic plasticity leads to incongruence between morphology-based taxonomy and genetic differentiation in western Palaearctic tortoises (Testudo graeca complex; Testudines, Testudinidae). – Amphibia-Reptilia 28(1): 97-121 oder Abstract-Archiv.

Golubović, A., D. Arsovski, R. Ajtic, L. Tomovic & X. Bonnet (2013a): Moving in the real world: tortoises take the plunge to cross steep steps. – Biological Journal of the Linnean Society 108(4): 719-726 oder Abstract-Archiv.

Golubović, A., X. Bonnet, S. Djordjevic, M. Djurakic & L. Tomovic (2013b): Variations in righting behaviour across Hermann's tortoise populations. – Journal of Zoology 291(1): 69-75 oder Abstract-Archiv.

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