Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, – © Hans-Jürgen Bidmon

Baez - 2012 - 01

Baez, J. C., A. Estrada, D. Torreblanca & R. Real (2012): Predicting the distribution of cryptic species: the case of the spur-thighed tortoise in Andalusia (southern Iberian Peninsula). – Biodiversity and Conservation 21(1): 65-78.

Vorhersagen zur Verbreitung kryptischer Spezies: Der Fall der Maurischen Landschildkröte in Andalusien (südliche Iberische Halbinsel).

DOI: 10.1007/s10531-011-0164-3 ➚

Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, – © Hans-Jürgen Bidmon
Maurische Landschildkröte,
Testudo graeca,
© Hans-Jürgen Bidmon

Einige Spezies lassen sich nur schwer in freier Wildbahn beobachten und einige dieser Arten zeigen anscheinend eine inkongruente Verbreitung, wie es für die Maurische Landschildkröte, Testudo graeca auf der südlichen Iberischen Halbinsel bekannt ist. Diese Spezies zeigt eine diskontinuierliche Verbreitung mit zwei reproduktiven Hauptarealen: Eines in den benachbarten Provinzen Almeria und Murcia sowie ein weiteres in der Provinz Huelva. Man geht davon aus, dass beide Populationen in Bezug auf die Reproduktion isoliert sind. Allerdings liefern wir hier neue Nachweise für zwei Areale (aus den Provinzen Malaga und Cadiz), die außerhalb des bislang bekannten Verbreitungsgebiets liegen. Dabei liegen die Provinzen Malaga und Cadiz zwischen den zwei traditionell bekannten Populationen. Diese neuen Nachweise basieren auf 16 Interviews mit Hirten und Informationen, die von drei Naturschützern stammen. Das Ziel dieser Arbeit war es, die räumliche Verteilung von Arealen ausfindig zu machen, die günstige Überlebensbedingungen für Maurische Landschildkröten auf der südlichen Iberischen Halbinsel bieten. Dazu benutzten wir verschiedene Computermodelle bei Verwendung gleicher Gruppen von Variablen, aber mit einer unterschiedlichen Anzahl von Vorkommensberichten: Also, die traditionell bekannten Areale, die neuen Areale und eine Kombination aus beiden. Wir erhielten ein Verbreitungsmodell für die Spezies in Andalusien, welches in Übereinstimmung mit allen Beobachtungen zum Vorkommen war und was in Bezug zur Klimastabilität, zu klimatischen Störungen und zur räumlichen Situation stand. Dieses Modell lieferte drei für das Überleben günstige Gebiete: Zwei, die mit den traditionell bekannten Vorkommensgebieten übereinstimmen und ein drittes, das im Süden der Region liegt und die benachbarten Provinzen Cadiz und Malaga umfasst. Wir schließen daraus, dass es wichtig ist, alle Beobachtungen in den Verbreitungsmodellen zu berücksichtigen, denn Berichte für Gebiete, die außerhalb der traditionell bekannten liegen, können andere Umweltcharakteristika aufweisen, die für die Art wichtig sind und die es zu erkennen gilt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit ist ein wirklich exzellentes Beispiel dafür, dass Computermodelle nur so gut sein können, wie die Informationen, mit denen man sie „füttert“ (siehe auch Kommentar zu Pedrono et al. 2004), woraus sich zwangsweise ableiten lässt, dass ökologische Feldarbeit nicht durch Modelle ersetzbar ist. Sicher kann man mittels der Modelle vielleicht Zusammenhänge besser darstellen und aufzeigen, aber dennoch ist auch das von den Eingabedaten abhängig. Zudem verdeutlicht diese Studie den Wert von Naturbeobachtungen und dass wir diese ernst nehmen sollten (siehe auch: Saenz-Arroyo et al. 2006). Denn zynisch auf den Punkt gebracht, haben diese Wissenschaftler doch mit dem Modell genau das bestätigt, was zum einen vorher bekannt war und was zum anderen von Hirten und Naturbeobachtern berichtet wurde, und das erst nachdem die neuen Informationen der Hirten und Naturalisten in das Computermodell eingegeben worden waren. Folglich hat das Modell gar keine Vorhersage gemacht, sondern nur Bekanntes bestätigt. Sicher kann man über die Erarbeitung eines Computermodells besser eine angeblich wissenschaftliche Publikation für ein angesehenes Journal schreiben als mit den Angaben von Naturbeobachtern oder Hirten, denn traditionsgemäß ist ja im christlichen Abendland, was Hirten erzählen, eher mit Glauben als mit Wissen im wissenschaftlichen Sinne assoziiert. Allerdings sollte man diesbezüglich doch etwas vorsichtiger sein und weil diese hier von den Wissenschaftlern etablierten Computermodelle auch nur die Informationen der Hirten bestätigt haben, ohne dass in der Arbeit steht, dass die beteiligten Wissenschaftler nun selbst vor Ort die Schildkrötenvorkommen bestätigt hätten, würde ich erst einmal den Hirten mehr Glauben schenken als den Computermodellen, zumal sie die Informationen der Hirten auch dann bekommen, wenn der Strom für den Computer längst ausgefallen ist. Sie sehen, man kann auch in der Wissenschaft mit Kanonen auf Spatzen schießen, und dies dann auch noch gut publizieren und wissenschaftlich vermarkten. An solchen Stellen würde ich auch die Argumente von Boero (2010) durchaus gelten lassen.

Literatur

Boero, F. (2010): The Study of Species in the Era of Biodiversity – A Tale of Stupidity. – Diversity 2(1): 115-126 oder Abstract-Archiv.

Pedrono, M., L. L. Smith, J. Clobert, M. Massot & F. Sarrazin (2004): Wild-captive metapopulation viability analysis. – Biological Conservation 119(4): 463-473 oder Abstract-Archiv.

Saenz-Arroyo, A., C. M. Roberts, J. Torre, M. Carino-Olvera & J. P. Hawkins (2006): The value of evidence about past abundance: marine fauna of the Gulf of California through the eyes of 16th to 19th century travellers. – Fish and Fisheries 7(2): 128-146 oder Abstract-Archiv.

Sulloway, F. J. (2009): Tantalizing tortoises and the Darwin-Galapagos Legend. – Journal of the History of Biology 42(1): 3-31 oder Abstract-Archiv.

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