Gallego-García - 2021 - 01

Gallego-García, N., S. Caballero & H. B. Shaffer (2021): Are Genomic Updates of Well-Studied Species Worth the Investment for Conservation? A Case Study of the Critically Endangered Magdalena River Turtle. – Journal of Heredity 112(7): 575-589.

Sind die Investitionen für eine genomische Aktualisierung für schon gut untersuchte Arten zu deren Erhaltung gerechtfertigt? Eine Fallstudie für die hochgradig bedrohte Magdalena-Flussschildkröte.

DOI: 10.1093/jhered/esab063 ➚

Da die genomischen Daten zur Charakterisierung für die meisten Organismen aus ökonomischer Sicht immer günstiger werden stellt sich für die Erhaltungsbiologie die Schlüsselfrage ob nicht die zunehmende Verbesserung der Methoden es rechtfertig neue genomische Untersuchungen bei schon früher mit den alten Markern gut untersuchten Arten durchzuführen oder ob das Geld und die Zeit nicht besser zur Untersuchung von noch unbekannten Arten eingesetzt werden sollte? Diese genomischen Studien bieten klare Vorteile, wenn es darum geht adaptive Genorte objektiv zu identifizieren die dazu dienen den politischen Entscheidungsträgern bessere Entscheidungshilfen zu liefern. Allerdings ist die Antwort auf eine solche Frage weit weniger leicht zu beantworten, wenn es um Populations- und Landschaftsstudien geht die auf neutralen Genorten basieren welche derzeit meistens in der Agenda für die Erhaltungsgenetik genutzt werden. Wir verwendeten hier RADseq um die früheren molekularen Studien von der IUCN an der hochgradig bedrohten Magdalena-Flussschildkröte (Podocnemis lewyana) zu wiederholen und den derzeitigen Status zu dokumentieren der durch den Einsatz einer um Größenordnungen erhöhten Anzahl an Markern in Bezug auf neue Erkenntnisse für die Erhaltungsbiologie erreicht werden kann. Die früheren Untersuchungen zeigten das P. lewyana die niedrigste bislang für Schildkröten bekannt gewordene Genetische Diversität aufwies mit geringer oder gar keiner Populationsdifferenzierung zwischen den Lebensräumen in zum Teil voneinander getrennten Flüssen. Im Gegensatz dazu zeigten die RADseq-Daten eine diskrete Populationsstruktur die einer Populationsisolation mit zunehmender Entfernung innerhalb verschiedener Flusssegmente folgte und sie identifizierten präzise Populationsgrenzen die ganz klar verschiedene Managementeinheiten charakterisieren. Ebenso wurde nachgewiesen, dass die Art keine extrem niedrige Heterozygosität aufweist und dass die effektiven Populationsgrößen sehr wahrscheinlich ausreichend sind um deren evolutionäres Langzeitpotential zu gewährleisten. Im Gegensatz zu den früheren Empfehlungen die auf den Limitierungen, der damals genutzten genetischen Markern basierten verdeutlichen unsere genomischen Daten, dass die Managementstrategien von derzeit aktiven genetischen Erhaltungseingriffen dahingehend verändert werden sollten einen mehr passiven Schutz zu gewährleisten und auf weitere extreme Interventionen zu verzichten. Wir beenden unsere Studie mit einer Liste von Beispielen wo Erhaltungsuntersuchungen für andere Wirbeltiere die Investitionen für eine genetische Nachuntersuchung rechtfertigen würde.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Ein sehr schönes Beispiel dafür, dass sich solche neuen weiterentwickelten Methoden auch durchaus sinnvoll bei schon gut untersuchten Arten einsetzen lassen. Allerdings sollte man hier klar erkennen, dass es sich in diesem Beispiel um eine Art handelt für die es noch genug Individuen gibt um ein Langzeitüberleben zu gewährleisten. Deshalb muss man sich schon fragen ob das auch bei Arten mit Individuenzahlen unterhalb der von Caballero et al. (2017) angegebenen Zahlen auch noch sinnvoll wäre, denn in solchen Fällen würde man ja wahrscheinlich nur noch sehr wenige ergänzende Informationen für die Zusammenstellung von Zuchtpaaren erwarten können? Nichtsdestotrotz lernen wir aber anhand solcher Studien wie sich die molekularen Methoden weiterentwickeln und dass wir auch zukünftig mit neuen Erkenntnissen rechnen dürfen. Insofern kann sogar die COVID-19 Krise Vorteile mit sich bringen, denn der Ausbau und die Verbreitung solcher PCR- und Sequenzierungsmethoden werden derzeit so effektiv weiter ausgebaut, dass sich deren kostengünstige Einsatzmöglichkeiten auch für die Grundlagenforschung und vielleicht sogar für Citizen-Science Projekte einfacher verfügbar werden.

Literatur

Caballero, A., I. Bravo & J. Wang (2017): Inbreeding load and purging: implications for the short-term survival and the conservation management of small Populations. – Heredity 118(2): 177-185 oder Abstract-Archiv.