Zierschildkröte, Chrysemys picta, im Gartenteich – © Hans-Jürgen Bidmon

Manshack - 2017 - 01

Manshack, L. K., C. M. Conard, S. J. Bryan, S. L. Deem, D. K. Holliday, N. J. Bivens, S. A. Givan & C. S. Rosenfeld (2017): Transcriptomic Alterations in the Brain of Painted Turtles (Chrysemys picta) Developmentally Exposed to Bisphenol A or Ethinyl Estradiol. – Physiological Genomics 49(4): 201-215.

Transkriptomveränderungen im Gehirn von Zierschildkröten (Chrysemys picta) die während ihrer Entwicklung Bisphenol A oder Ethinylöstradiol ausgesetzt waren

DOI: 10.1152/physiolgenomics.00103.2016 ➚

Chrysemys picta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Zierschildkröte, Chrysemys picta,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Schildkröten und andere Reptilien die während ihrer Entwicklung so genannten endokrinen Abbruchschemikalien (EDC’s) wie Bisphenol A (BPA) und Ethinylöstradiol (EE) ausgesetzt sind können im Fall von Männchen teilweise oder komplett ihr Geschlecht umwandeln. Wir haben auch kürzlich zeigen können, dass die Behandlung der Eier mit EDC zu gleichen Veränderungen und zu Veränderungen beim geschlechtsspezifischen Verhalten führt die einhergehen mit einem verbesserten räumlichen Lernen und Ortsgedächtnis sowie anderen für Weibchen spezifische Anpassungen. Es wird dabei davon ausgegangen, dass die beobachteten durch BPA- und EE-verursachten Veränderungen durch Transkriptomveränderungen (Genexpressionsmusterveränderungen) während der Entwicklung der Tiere zustande kommen. Um diese Hypothese zu testen inkubierten wir Zierschildkröteneier (Chrysemys picta) bei 26 °C (Männchen induzierende Temperatur) bis zum Embryonalstadium 17 und behandelten sie dann zum einen mit BPA (1 ng/µL), zum zweiten mit EE (4 ng/µL), oder zum dritten mit Kontrollösungsmittel Äthanol. Zehn Monate nach deren Schlupf und nach Komplementierung aller Verhaltenstests wurden die Schildkröten eingeschläfert und ihre Gehirne wurden entnommen und in flüssigen Stickstoff eingefroren und später wurde die RNS für RNSseq-Analysen isoliert. Schildkröten die BPA ausgesetzt waren bildeten ein eigenständiges Cluster das sich sowohl von den mit EE behandelten wie auch von den Kontrollenindividuen unterschied. Zudem zeigte sich, dass sich die Transkripte und Genexpressionsmuster bei den BPA behandelten Individuen deutlich von jenen aus der EE-Gruppe und Kontrollgruppe unterschieden. Eines der Transkripte das sowohl in der BPA-Gruppe wie auch in der EE-Gruppe hochreguliert war, war das Transkript für das mitochondriale Gen ND5welches in die oxidative Phosphorylierung involviert ist. Die frühe Exposition von BPA führt bei Schildkröten zu einem Anstieg von Transkripten die für die Regulation von ribosomalen und mitochondrialen Funktionen verantwortlich sind insbesondere solche die für die Bioenergetik (Energieumsatz) stehen und die auch im Zusammenhang mit einer verbesserten Kognition zu sehen sind. Zusammenfassend lässt sich feststellen das beide BPA und EE zu vergleichbaren Verhaltensveränderungen führen, dass sie aber dennoch zu getrennten neuronalen Transkriptommustern führen wobei insbesondere BPA etliche Gene hochreguliert die die oxidative Phosphorylierung und ribosomale Funktionen steuern und die somit verantwortlich dafür sein könnten, dass sich eine verbesserte kognitive Leistungsfähigkeit beobachten lässt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine sehr schöne Arbeit die zwei Aspekte adressiert, zum einen den, dass Umweltgifte wie weibliche Hormonrückstände (Pillenhormone etc.) im Abwasser im männlichen Geschlecht zu einer Geschlechtsumwandlung führen können, die mit Unfruchtbarkeit oder Unfähigkeit zur Kopulation einhergeht. Etwas das man schon seit längeren als Umweltproblem in den Everglades in Florida beobachtet. Zum zweiten zeigt die Studie aber auch, dass solche das Geschlecht beeinflussenden Gene die kognitive Leistungsfähigkeit und das Lernen beeinflussen. Dabei scheinen bei Schildkröten die weiblichen Geschlechtshormone mit einem verbesserten räumlichen Lernvermögen und Gedächtnis einherzugehen. Letzteres ergibt auch einen Sinn, denn Weibchen müssen sich im räumlichen Kontext gute Eiablageplätze und die Wege zu ihnen eventuell für ihr ganzes Leben aneignen und merken. Letzteres heißt aber nicht, dass Männchen dümmer sind, denn man hat hier bei den bis zu 10 Monate alten Schlüpflingen nur diese Verhaltensweisen testen können. Es lässt sich aber aus der Arbeit von Poschadel et al. (2006) sicher schließen, dass Männchen andere Eigenschaften im Sinne einer Konkurrenzvermeidung untereinander und in Bezug auf die optimale Partnerwahl erlernen und beherrschen müssen, die man leider in so frühem Alter noch nicht testen konnte. Ebenso wie Roth & Krochmal (2015) zeigen, dass auch für Männchen räumliches Lernen überlebenswichtig sein kann. Letzteres zeigt aber auch wie lange man eigentlich solche Studien durchführen müsste um zu wirklich umfassenden für beide Geschlechter aussagekräftigen Daten zu kommen.

Literatur

Poschadel, J. R., Y. Meyer-Lucht & M. Plath (2006): Response to chemical cues from conspecifics reflects male mating preference for large females and avoidance of large competitors in the European pond turtle, Emys orbicularis. – Behaviour 143(5): 569-587 oder Abstract-Archiv.

Roth, T. C. II & A. R. Krochmal (2015): The Role of Age-Specific Learning and Experience for Turtles Navigating a Changing Landscape. – Current Biology 25(3): 333-337 oder Abstract-Archiv.

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