Südliche Batagur-Schildkröte, Batagur affinis, – © Mohd Hairul Mohd Salleh

Mohd Salleh - 2022 - 01

Mohd Salleh, M. H., Y. Esa, M. S. Ngalimat & P. N. Chen (2022): Faecal DNA metabarcoding reveals novel bacterial community patterns of critically endangered Southern River Terrapin, Batagur affinis. – PeerJ 10: e12970.

Die Kot-Metabarcode-DNS-Analyse verweist auf neue Muster von Bakteriengemeinschaften bei der hochgradig gefährdeten Südlichen Flussschildkröte Batagur affinis.

DOI: 10.7717/peerj.12970 ➚

Südliche Batagur-Schildkröte, Batagur affinis, – © Mohd Hairul Mohd Salleh
Südliche Batagur-Schildkröte,
Batagur affinis,
© Mohd Hairul Mohd Salleh

Bei der Südlichen Batagur-Schildkröte, Batagur affinis, handelt es sich um eine Süßwasserschildkröte die als hochgradig gefährdet seit dem Jahr 2000 auf der roten Liste der IUCN steht. Viele Studien lassen den Schluss zu, dass DNS-Metabarcodeanalysen von Kotproben ein besseres Verständnis über die wirtstierspezifisch assoziierten Mikrobengemeinschaften liefern über die ja zunehmend bekannt wird, dass sie eine bedeutende Rolle für die Wirtsgesundheit spielen. Deshalb zielte diese Studie darauf ab die Darmmikrobengemeinschaften zwischen in Gefangenschaft gehaltenen und wildlebenden B. affinis mittels der Metabarcodeanalyse zu vergleichen. Insgesamt wurden sieben Kotproben unter aseptischen Bedingungen gesammelt und zwar N=5 bei in Gefangenschaft gehaltenen und N=2 bei wildlebenden adulten B. affinis wobei die Proben sowohl von der Ost- wie auch der Westküste der malaiischen Halbinsel stammten. Die DNS wurde aus den Kotproben extrahiert und anschließend wurde die 16S-rRNS-Genregion (V3-V4-Region) mit der Polymerasekettenreaktion (PCR) vervielfältigt (amplifiziert). Das Amplicon wurde dann anhand des SILVA und DADA2-Verfahrens weiter analysiert. Insgesamt wurden 297 taxonomische Bakteriengemeinschaftsprofile (Phylum bis Gattung) nachgewiesen. Drei Phyla wurden mit hoher Abundanz bei allen Kotproben nachgewiesen wie Firmicutes (38,69 %), Bacteroidetes (24,52 %) und Fusobacteria (6,95 %). Die Proteobacteria wurden in allen Kotproben gefunden (Häufigkeit 39,63 %) mit Ausnahme der Kotprobe von dem wildlebenden Exemplar, KBW3. Auf Gattungsniveau konnte die Gattung Cetobacterium als häufigste Gattung (67,79 %) identifiziert werden gefolgt von der Gattung Bacteroides (24,56 %) und Parabacteroides (21,78 %). Diese nichtkultivierte Gattung hatte mit 88,51 % die höchste Abundanz wurde aber bei den Kotproben BK31 und KBW2 gar nicht nachgewiesen. Die Gruppe der potentiell probiotischen Gattungen (75,00 %) wurden als dominierend in den Kotproben von B. affinis nachgewiesen. Diese Ergebnisse zeigten, dass die Kotproben von in Gefangenschaft gehaltenen B. affinis eine höhere Bakterienvielfalt aufweisen als bei den wildlebenden B. affinis. Die Studie etablierte somit einen Startpunkt für zukünftige Untersuchungen des Darmmikrobioms von B. affinis.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun diese Studie hat im Wesentlichen ähnliche Stämme (Phyla) an Darmmikroben nachgewiesen wie sie auch bei anderen Wasserschildkrötenarten gefunden wurden (Ahasan et al., 2018, Fugate et al., 2019; Peng et al., 2020; Fong et al., 2020; Wu et al., 2021). Auch die Befunde, dass manche Bakteriengattungen in manchen Kotproben völlig abwesend waren zeigt, dass es Unterschiede geben kann aber deren Bedeutung bleibt weiterhin unklar, weil die Gesamtanzahl der untersuchten Proben zu gering war um statistisch abgesicherte Unterschiede zu belegen. Im Vergleich zur Studie von Wu et al. (2021) lässt sich vermuten, dass dafür unterschiedliche Lebensräume bzw. Haltungsbedingungen verantwortlich sein könnten (siehe auch alternativ Yuan et al., 2015). Was aber auch wieder auffällt ist die Tatsache, dass es zu deutlich erkennbaren Unterschieden in Bezug auf die Darmmikrobiomvielfalt zwischen in Gefangenschaft gehaltenen und wildlebenden Individuen zu kommen scheint (Fong et al., 2020). Letzteres lässt darauf schließen, dass sich entweder die Wasserqualität oder die Ernährungsweise zwischen gehaltenen und wildlebenden Exemplaren unterscheidet. Ob diese Unterschiede etwas über Unterschiede in Bezug auf den Gesundheitsstatus der Wirtsschildkröten wie hier B. affinis aussagen bleibt wie gesagt offen, aber was sich auch im Vergleich mit anderen Studien andeutet könnten diese Unterschiede auch zu adaptiven Veränderungen führen, weil es sich dabei auch um Umweltanpassung handeln kann. Letztere können ja bekanntlich auf vielfältige und komplexe Weise zu adaptiven Veränderungen und Verhaltensanpassungen führen (siehe z. B. Ennen et al., 2019 oder Alcott et al., 2020 und die dortigen Kommentare). Dabei könnte dem Darmmikrobiom auch eine besondere Rolle zukommen, weil soweit es für die gängigen Labortiere wie auch schon für den Menschen bei denen dazu schon viele funktionelle Befunde vorliegen deutlich geworden ist, dass durch Veränderungen des Darmmikrobioms nicht nur der Verdauungsstoffwechsel, sondern sowohl das Immunsystem wie auch der Gesundheitsstatus Veränderungen unterliegen (Cohen & Pennisi, 2019; Kuang et al., 2019; Cryan et al., 2019; Nowosad et al., 2020; Barcik et al., 2020; Margineanu et al., 2020; Boutin et al., 2021). Erst jüngst wurden sogar erstmals von bestimmten Bakterien produzierte Substanzen identifiziert die bestimmte Gehirnzellen beeinflussen und damit sogar die kognitive Leistungsfähigkeit sowie Verhaltensveränderungen auslösen können (z. B. Mossad et al.,2022). Ja und jene die meinen, dass letzteres nur für Primaten zutreffend ist sollten sich damit vertraut machen, dass ähnliches für Vögel ebenso zutrifft (Davidson et al., 2018, 2020a, b; 2021). Allerdings bei Reptilien befinden sich solche funktionellen Studien erst in den Anfängen (Siddiqui et al., 2022; siehe aber auch Martínez-Romero et al., 2020, Elliot et al., 2019; Rawski et al., 2018). Insofern sollte uns schon klarwerden, dass dem Darmmikrobiomgemeinschaften in Bezug zur Tierhaltung wie auch bei mit Umweltverschmutzungen einhergehende Veränderungen gravierende Folgen nach sich ziehen können. Ja und wenn wir mal zu Ostern etwas naturphilosophischer über diese symbiontischen Organismengemeinschaften (oder auch Individuen bezogenen-Ökosysteme) nachdenken wollen, deren Aufklärung ja eigentlich erst durch die Molekulargenetik zugänglich wurde, dann verdeutlicht sich eigentlich schon, dass ein biologisches Grundgesetz, wenn schon dann auf DNS-Erhalt von Beginn an basieren könnte (siehe dazu Rull, 2022 oder auch Labonté & Campbell, 2022) welches darauf abzielt biologische komplexe Systeme im Gleichgewicht zu halten (Scheffer & van Nes, 2018). Letzteres verdeutlicht aber auch, dass DNS-Erhalt zwar Arterhaltung miteinschließt, aber eben nicht nur so wie wir Art(rein)erhaltung bislang als einzigen Weg sehen wollten, denn diese Prozesse sind viel komplexer und vor allem dynamischer als wir bislang wahrhaben wollten.

Literatur

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