Flache Moschusschildkröte, Sternotherus depressus, aus dem Sipsey Fork (Bankhead National Forest, Alabama) – © Carl May

Scott - 2015 - 01

Scott, P. A. & L. J. Rissler (2015): Integrating dynamic occupancy modeling and genetics to infer the status of the imperiled flattened musk turtle. – Biological Conservation 192: 294-303.

Der Einbezug der Dynamischen-Besiedlungsmodellierung und der Genetik, um den Status der gefährdeten Flachen-Moschusschildkröte zu klären.

DOI: 10.1016/j.biocon.2015.10.004 ➚

Flache Moschusschildkröte, Sternotherus depressus, – © Carl May
Flache Moschusschildkröte,
Sternotherus depressus,
aus dem Sipsey Fork (Bankhead
National Forest, Alabama)
© Carl May

Das Verständnis der sich verändernden Biodiversität sowohl auf dem Artniveau wie auch auf dem Niveau der Gene ist eine unabdingbare Voraussetzung für ein effektives Erhaltungsmanagement. Hier präsentieren wir eine Studie, die beides – die Dynamische-Besiedlungsmodellierung und die genetischen Analysen zur mtDNS – heranziehen, um die postulierte Populationsausrottung und die genetische Introgression für die morphologisch einzigartige bedrohte Flache Moschusschildkröte Sternotherus depressus zu quantifizieren, die endemisch die steinigen Bergbäche in Nordzentral Alabama, USA, besiedelt. Unter Einbezug historischer Bestanderhebungen in die Dynamische-Besiedlungsmodellierung zeigte sich, dass die Art in 32-56 % ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets ausgerottet wurde. Wir fanden sehr deutliche Anzeichen für eine unidirektionale mtDNS-Introgression von einer nahe verwandten Art in den Bestand der Flachen Moschusschildkröte. Zusätzlich zeigte sich, dass die Flachen Moschusschildkröten, die die allospezifische mtDNS besitzen eine intermediäre Carapaxmorphologie (geringere Carapaxabflachung) zeigen, wenn man sie mit reinerbigen Flachen Moschusschildkröten vergleicht. Dies lässt vermuten, dass die genomische Hybridisierung insgesamt negative Auswirkungen auf die Fitness dieser Art haben kann. Insgesamt zeigt diese Untersuchung, dass sowohl die quantitative Erhebung von lokaler Ausrottung und Hybridisierung bei Flachen Moschusschildkröten notwendig ist und sie verweist zudem darauf, dass sowohl die Betrachtung der Demographie wie auch die genetische Analyse essentiell für das effektive Management der Art sind.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Zugegeben, es wäre schade wenn die Flache Moschusschildkröte als Art verschwinden würde und sie bestenfalls als Unterart erhalten bliebe, also wieder den taxonomischen Status einnehmen würde den sie schon einmal inne hatte. Allerdings frage ich mich, was hat sich da in den Habitaten so verändert, dass plötzlich nur ein einseitiger Genfluss von Sternotherus minor minor hin zu Sternotherus depressus zu beobachten ist. Sicher, für die Erhaltung der reinerbigen Sternotherus depressus mag das aus erhaltungsbiologischer Sicht negativ sein, aber den betroffenen Hybridindividuen scheint es nicht zu schaden, denn sonst würden sie nicht immer häufiger in diesen Habitaten. Es muss die Frage erlaubt sein, ob sich diese klaren Bergbäche in der Vergangenheit so verändert haben, das diese morphologisch weniger abgeflachten Hybriden keine Nachteile mehr haben und deshalb genauso gut überleben können wie die reinerbigen Flachen Moschusschildkröten? Denn ursprünglich waren doch wohl die reinerbigen Flachen Moschusschildkröten an diese Lebensräume so gut angepasst, dass sie dort eine eigene Morphologie ausbilden konnten. Oder war alles nur eine Laune der Natur und sie waren nur lange genug von den anderen Arten bzw. Unterarten getrennt, um sich morphologisch etwas anders zu entwickeln? Dann müssten aber in den vergangenen Jahren Umweltveränderungen eingetreten sein, die dazu führten, dass die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Lebensräumen zumindest für Sternotherus m. minor durchlässiger geworden sind als vorher und es scheint sich dabei zu zeigen, dass anscheinend diese sich einkreuzende Art nun Vorteile gegenüber den reinerbigen S. depressus hat, sonst müsste man nicht befürchten, dass S. depressus ausstirbt. Denn wenn S. depressus in diesen heutigen Habitaten wirklich Vorteile gegenüber S. m. minor hätte, sollte sie in der Lage sein sich auch genetisch besser durchzusetzen und S. m. minor auf nur wenige Überschneidungsareale zurückzudrängen (siehe dazu auch: Kommentare zu Polo-Cavia et al. (2012), Romero et al. (2014), Velo-Anton et al. (2015).

Literatur

Polo-Cavia, N., P. Lopez & J. Martin (2012): Effects of body temperature on righting performance of native and invasive freshwater turtles: Consequences for competition. – Physiology & Behavior 108: 28-33 oder Abstract-Archiv.

Romero D., J. C. Báez, F. Ferri-Yáñez, J. J. Bellido & R. Real (2014): Modelling favourability for invasive species encroachment to identify areas of native species vulnerability. – Scientific World Journal 2014(1): 519710 oder Abstract-Archiv.

Velo-Antón, G.; P. Pereira, S. Fahd, J. Teixeira & U. Fritz (2015): Out of Africa: did Emys orbicularis occidentalis cross the Strait of Gibraltar twice? – Amphibia-Reptilia 36(2): 133-140 oder Abstract-Archiv.

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