Köhlerschildkröte, Chelonoidis carbonaria, – © Hans-Jürgen Bidmon

Strong - 2006 - 01

Strong, J. N. & J. M. V. Fragoso (2006): Seed Dispersal by Geochelone carbonaria and Geochelone denticulata in Northwestern Brazil. – Biotropica 38(5): 683-686.

Samenverbreitung durch Geochelone carbonaria und Geochelone denticulata in Nordwest-Brasilien.

DOI: 10.1111/j.1744-7429.2006.00185.x ➚

Waldschildkröte, Chelonoidis denticulata, – © Thais Queiroz Morcatty
Waldschildkröte,
Chelonoidis denticulata,
© Thais Queiroz Morcatty

Die Rolle, welche die Köhlerschildkröte (Geochelone carbonaria) und die Waldschildkröte (G. denticulata) für die Verbreitung von Sämereien spielen, wurde im nordwestlichen Brasilien zwischen dem 5. und 26. Januar 2002 untersucht. Dazu wurden Kotanalysen durchgeführt, wobei sowohl die Häufigkeit des Kotabsatzes und auch die Keimfähigkeit der darin enthaltenen Samen untersucht wurde. Dazu wurden die markierten Schildkröten täglich überwacht und bei einigen wurden die Bewegungsmuster mit der Fadenmethode erfasst. Vierzehn von 19 Kotproben enthielten insgesamt 646 Samen von 11 Pflanzenarten. Die am häufigsten vertretene Pflanzenart war die Feige, Ficus sp. (N = 400) mit noch 100 % Samenvitalität, gefolgt von Lanzenbromelien, Aechmea sp. (N = 88) mit 93 % Vitalität und der Jenipapo-Baum (Rubiaceae, Brombeerverwandter) Genipa americana (N = 59) mit 91 %iger Keimfähigkeit, um die wichtigsten zu nennen. Das mittlere Minimum für die Samenverweildauer in den Tieren lag bei 1,6 Tagen, wobei die Schildkröten sich pro Tag durchschnittlich um 57 m weiter bewegten. Aus diesen Daten zur Diversität der Samen, ihrer Quantität, der Verweildauer und den Bewegungen der Schildkröten lässt sich schließen, dass die Schildkröten einen bedeutenden Faktor für die Verbreitung von Samen spielen. Diese ersten, vorläufigen Ergebnisse legen nahe, dass weiterführende Untersuchungen Erfolg versprechend erscheinen und angezeigt sind, um die ökologische Rolle genauer zu untersuchen, welche die Schildkröten für die neotropischen Ökosysteme spielen.

Köhlerschildkröte, Chelonoidis carbonaria, – © Hans-Jürgen Bidmon
Köhlerschildkröte,
Chelonoidis carbonaria,
© Hans-Jürgen Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Sicher, es wird klar, dass es sich hier wirklich um eine auf einen kurzen Sommerabschnitt begrenzte, vorläufige Studie handelt. Diese muss sicher noch ausgeweitet werden. Aber dennoch können wir daraus ersehen, dass die Tiere Samen und Früchte, wenn sie saisonbedingt vorhanden sind, fressen, ohne daran zu erkranken. Auch wenn die Autoren selbst darauf nicht eingehen, lässt sich auch aufgrund der kurzen Verweildauer im Magendarmtrakt von nur 1,6 Tagen schließen, dass sie wohl einen sehr weichen Kot absetzen dürften (Feigen sind dafür bekannt dies zu fördern). Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass das Fressen von Früchten generell schädlich ist, wie man es heute häufig in so manchen Erläuterungen zur artgerechten Ernährung von Landschildkröten liest. Vielmehr ist wohl davon auszugehen, dass das saisonal begrenzte Fressen von Früchten zum normalen Ernährungsrhythmus dazugehört und dass Früchte eventuell auch essentielle Nahrungsbestandteile liefern, die der anderen Nahrung vielleicht fehlen. Hier kann man nur empfehlen, sich im Sinne einer abwechslungsreichen, artgerechten Haltung und Fütterung an den wirklich wissenschaftlichen Arbeiten zu orientieren, anstatt jeder manchmal noch so realitätsfremden Empfehlung selbst ernannter Ernährungspäpste/innen zu folgen. Diesbezüglich sollten auch so manche Veterinäre einmal die Arbeiten, die wirklich unter natürlichen Bedingungen in den Lebensräumen durchgeführt wurden, lesen, ehe sie irgendwelche Futterempfehlungen an ihre Klientel weitergeben, denn dadurch, dass man nur immer wiederholt und nachplappert was andere (oder die Mehrheit) meinen, verbessert sich die „Artgerechte Haltung“ nicht. Hier muss man klar sagen, für viele Arten wissen wir noch zu wenig, aber wir sollten uns dann auch bemühen, wenn neue Erkenntnisse verfügbar werden, diese in die Empfehlungen mit einzubeziehen. Um zu erkennen, dass es unter den Schildkröten nicht nur Fruchtfresser in den Neotropen gibt siehe auch Loehr (2006); Birkhead et al. (2005); Liu et al. (2004) und die darin zitierten weiter zurückliegenden Arbeiten bzw. die Zusammenfassungen im Abstract-Archiv.

Literatur

Loehr, V. J. T. (2006): Natural diet of the namaqualand speckled padloper (Homopus signatus signatus). – Chelonian Conservation and Biology 5(1): 149-152 oder Abstract-Archiv.

Birkhead, R. D., C. Guyer, S. M. Hermann & W. K. Michener (2005): Patterns of folivory and seed ingestion by gopher tortoises (Gopherus polyphemus) in a southeastern pine savanna. – American Midland Naturalist 154(1): 143-151 oder Abstract-Archiv.

Liu, H., S. G. Platt & C. K. Borg (2004): Seed dispersal by the Florida box turtle (Terrapene carolina bauri) in pine rockland forests of the lower Florida Keys, United States. – Oecologia 138(4): 539-546 Abstract-Archiv.

Galerien